Grazer Stadtschreiber:in


Auf Einladung der Stadt Graz verbringen Schriftsteller:innen aus Österreich und anderen Staaten einen begrenzten Zeitraum (1 Jahr) als Gäste in Graz.

Die Idee des traditionellen Stadtschreibers des Mittelalters, der bei Ratssitzungen als Protokollführer diente, wurde wieder aufgegriffen und neu definiert. Die eingeladenen Schriftsteller:innen erhalten die Möglichkeit, ohne finanziellen Druck ihrer literarischen Tätigkeit nachzugehen und sich mit der Atmosphäre und der Kulturszene der Stadt auseinanderzusetzen.

Die Ausschreibung "Grazer Stadtschreiber:in" richtet sich nur an Literat:innen bzw. Autor:innen (Prosa, Lyrik, Theater)! (siehe Richtlinien)
Die Bewerbung ist ausschließlich per Mail an kulturamt@stadt.graz.at möglich, die Bewerbungsunterlagen müssen ohne Ausnahme im Pdf-Format übermittelt werden!

Die Einreichfrist für die Bewerbung ist der 31. März 2024.

Die derzeitigen Jurymitglieder sind:


MMaga Bakk. Silvana Cimenti
Drin Alexandra Millner
Mag. Paul Pechmann
Andrea Stift-Laube
Christoph Szalay, MA BA


Stadtschreiberin (September 2023 - August 2024)

Andrea Scrima

Biografie:
Andrea Scrima, geboren 1960 in New York City, studierte Kunst an der School of Visual Arts in New York und an der Hochschule der Künste in Berlin, wo sie seit 1984 als Autorin und bildende Künstlerin lebt. Ihre Arbeiten waren in internationalen Ausstellungen zu sehen. Sie schreibt Essays für Times Literary Supplement, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Schreibheft, Music & Literature, The American Scholar, LitHub und The Brooklyn Rail.

Die Begründung der Jury:
Die 1960 in New York geborene Andrea Scrima ist in der Kunstwelt seit Jahrzehnten keine Unbekannte. Nachdem sie an der School of Visual Arts in New York und an der Hochschule der Künste in Berlin studierte, wo sie seit 1984 lebt und arbeitet, waren ihre grafischen Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen in Europa und den USA zu sehen. Das Schreiben war aber immer ganz nah mit der Person Andrea Scrima verbunden: zum einen über Kritiken und Essays, die sie selbst verfasste, zum anderen über großflächige Textinstallationen – Kurzgeschichten, die an Wänden angebracht waren –, die ihr künstlerisches Schaffen ab dem Jahr 2000 bestimmten und die auch ein besonderes Augenmerk auf die Rezipient:innenseite legten, indem sie Diktat und Choreografie ineinander übergehen ließen. Mit dem Erscheinen von A Lesser Day 2010 gab Scrima ihr gefeiertes Debüt als literarische Autorin: ein Buch, das die eigene Vergangenheit zum Ausgangspunkt für das Entwerfen einer Künstlerinnenbiographie nimmt, den Wegen nachspürt, den Erinnerungen, dem Sprunghaften Raum gibt, die Lücken zulässt – stets getragen von poetischer Zartheit und einem Blick, der es vermag Atmosphäre über das beschreibende Beobachten zu erzeugen. Der fragmentierte Roman ist aber auch als Frage nach der Substanz einer jeden Identität, eines jeden Lebens zu lesen. Acht Jahre später erschien im renommierten Grazer Droschl-Verlag unter dem Titel Wie viele Tage die gelungene deutsche Übersetzung von Barbara Jung.

Ebendort veröffentlichte Scrima 2021 mit Kreisläufe (engl.: Like Lips, Like Skins/ Übersetzung aus dem Amerikan. von Christian von der Goltz und der Autorin selbst) abermals ein Erinnerungsbuch, in dem sie ihre Erzählerinnenqualitäten erneut eindrucksvoll unter Beweis stellte. Anhand einer Familiengeschichte verhandelt sie einerseits Traumata, die Jugendliche in Disziplinareinrichtungen der DDR erleiden mussten ebenso wie jene, die aus selbst gewählten Bindungen erwachsen. Andererseits gelingt es ihr, Mosaiksteine – Erinnerungen, Tatsächliches und Erdachtes – zu einem einprägsamen Bild einer Existenz werden zu lassen.

Das von Scrima, die auch Chefredakteurin der englischsprachigen Literaturzeitschrift StatORec ist, eingereichte Projekt geht wiederum vom Eigenen aus, den Nachforschungen zu den Arbëresh-Ursprüngen ihrer Familie, verlagert den Blick aber auf Themenkreise, die Einwanderungsgruppen überall betreffen. So soll in Graz eine Essaysammlung unter dem Titel Displaced entstehen, in der Probleme wie das Entwurzelt-Sein, Repressalien, psychische Erkrankungen oder der allmähliche Verlust der Muttersprache unter Migrant:innen der zweiten und dritten Generation verhandelt werden.


Stadtschreiber (September 2022 - August 2023):

Abdelaziz Baraka Sakin

Jurybegründung:
Der 1963 im Sudan geborene Abdelaziz Baraka Sakin gilt als eine der bedeutendsten Stimmen der arabisch-sprachigen Literaturen in der europäischen Diaspora. Er begann seine literarische Karriere im Sudan als Prosa-Autor, wo seine Bücher bald von den islamistischen Machthabern verboten wurden. Im Exil fanden seine Arbeiten internationale Resonanz und wurden mehrfach prämiert (v.a. in Frankreich). Von seinen Texten liegen mittlerweile Übersetzungen in 10 Sprachen vor. Mit der vor kurzem erschienenen deutschen Übersetzung von „Der Messias von Darfur“ ist nun der Weg zu einer breiteren Rezeption dieses Autors auch im deutschen Sprachraum bereitet.

Abdelaziz Baraka Sakins Romane und kürzere Prosa-Arbeiten behandeln Themen globaler Brisanz, fokussiert auf das Erleben, Denken und Empfinden der/des Einzelnen. Es sind – was die soziale Situierung der Figuren angeht – durchwegs Geschichten von unten, die mit großer Empathie von Abgehängten, Verfolgten und Vertriebenen erzählen, die in sogenannten „Leitmedien“ – wenn überhaupt – nur in quantifizierender Berichterstattung, etwa über Kriege und humanitäre Katastrophen vorkommen. Der Autor schreibt über geopolitische Brennpunkte seiner Herkunftsregion, die er als Mitarbeiter von NGO-Projekten selbst kennengelernt hat. Aus eigener Erfahrung und Anschauung weiß er Bescheid sowohl von individuellen Sehnsüchten der Menschen und falschen Glücksversprechungen der Demagogen, aber auch vom Getriebe der Systeme, die jedwede Hoffnung annihilieren. In seinen Romanen erweist sich Abdelaziz Baraka Sakin als scharfsinniger Beobachter von sozio-ökonomischen Realitäten und überzeugt nicht zuletzt als präziser Analytiker von Mythen und Ideologien. Der Uneigentlichkeit technokratischer Regime und abstrusem Irrationalismus begegnet der Erzähler mit Ironie, Satire und schwarzem Humor.

Das von Abdelaziz Baraka Sakin im Rahmen seiner Bewerbung eingereichte Romanprojekt wird u.a. auch Graz zum Schauplatz haben: als Passage und vorläufigen Endpunkt individueller Migrationsbewegungen. Die literarische Verarbeitung und ästhetische Transformation von Abdelaziz Baraka Sakins Recherche im Rahmen des Stipendiums als Grazer Stadtschreiber verheißt für eine an anspruchsvoller und gehaltvoller Erzählliteratur interessierte Öffentlichkeit und darüber hinaus exzeptionellen Gewinn.


Bisherige Stadtschreiber:innen:

2021/2022: Florian Neuner
2020/2021: Jana Radičević
2019/2020: Volha Hapeyeva
2018/2019: Kinga Toth
2017/2018: Radka Denemarková
2016/2017: Najem Wali
2015/2016: Ulrich Schlotmann
2014/2015: László Garaczi
2013/2014: Ivana Sajko
2012/2013: Dana Ranga
2011/2012: Barbara Marković
2010/2011: Jörg ALBRECHT
2009/2010: Fiston Mwanza
2008/2009: Péter Zilahy
2007/2008: Digitale Visitenkarte am KulturServerGraz Nazar Hontschar
2006/2007: Digitale Visitenkarte am KulturServerGraz Saša Stanišiæ
2005/2006: Digitale Visitenkarte am KulturServerGraz Maruša Krese
2004/2005: Kenka Lekovich
1996/2003: Digitale Visitenkarte am KulturServerGraz Dževad Karahasan
1996: (1/2 Jahr) Boris L. Rahmanin
1994/1995: Gundi Feyrer
1993/1994: Franz Josef Czernin
1992/1993: Gert Jonke
1991/1992: Anselm Glück
1990/1991: Angela Krauß
1989/1990: Norbert Gstrein
1988/1989: Dr. Libuše Moníková


Betreuung


Die Betreuung erfolgt seit 1997 durch die Kulturvermittlung Steiermark über das Internationale Haus der Autor:innen Graz (I.H.A.G.)
kulturvermittlung.org


Richtlinien


Richtlinien für das Literaturstipendium "Grazer Stadtschreiber:in"

Guidelines for the literature scholarship "Grazer Stadtschreiber:in"





KONTAKT:
Mag. Christian Mayer
Kulturamt der Stadt Graz
Stigergasse 2 (Mariahilfer Platz), 3. Stock, 8020 Graz
Tel.: +43/316/872-4940
e-mail: christian.mayer@stadt.graz.at

ABTEILUNGSLEITER
Michael A. Grossmann
Kulturamt der Stadt Graz
Stigergasse 2 (Mariahilfer Platz), 2. Stock, 8020 Graz
Tel.: +43/316/872-4900
e-mail: michael.a.grossmann@stadt.graz.at