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Themenführung: Landnahme, Religion & Politik

Themenführung mit Kurator Johannes Rauchenberger, zu Gast Wolfgang Sotil.
Fern wird ein anderer Mythos aus der Urgeschichte bei der finnischen Künstlerin Maaria Wirkkala aufgerufen, aber dennoch nicht wörtlich zitert. Sie lässt Tiere auf einer Brücke, ausgehend von zwei Büchern, welche die Brückenköpfe bilden, in die jeweils andere Richtung ziehen. Einmal ist es die Bibel, das andere Mal ist es der Koran. Der Bewegungsfluss ist keineswegs eine Einbahnstraße. Die Aufforderung der Künstlerin, die diese Arbeit ursprünglich 1997 als Lichtbrücke auf dem Bosporus zwischen Europa und Asien konzipierte, lautet: „FOUND A MENTAL CONNECTION“. 2001 war sie damit auf Harald Szeemanns 49. Biennale von Venedig „Plateau der Menschheit“ zu sehen. Eine geistige Verbindung zu schaffen trifft hier die Brückenköpfe: Es ist nicht nur der zu Beginn des Jahrtausends wieder aufgeflammte Religionskonflikt zwischen Islam und dem Westen, es geht auch um die große Globalisierungsschlacht im Allgemeinen: Ist das alle alten Erzählungen stimulierende Motiv des Tierfriedens eine Leitkultur der neuen Zeit? Ist es Respekt? Ein vorparadiesischer Zustand? Die Fähigkeit, Widersprüche zu ertragen? Sind die Brückenköpfe, die symbolisch für Abendland und Morgenland stehen, die Quelle? Das bekannte Werk Maaria Wirkkalas ist mittlerweile Teil der Istanbuler SammlungVehbi Koç Foundation und in Vulgata das letzte Mal vor der ständigen Sammlungspräsentation des dort neu erbauten Museums 2018 zu sehen.

Dass freilich Religion und Politik aufs Engste verbunden sind, ist auch ein entscheidendes Erbe der Bibel. Denn die Verheißung, die Gott seinem Volk in Aussicht stellt, ist Land. „Promised Land“ – das Land der Verheißung gehört zum Grundnarrativ der Exodus-Erzählung für das Volk der Israeliten. An jenem Punkt, an dem Moses das 1. Mal dieses verheißene Land erblickt, am Berg Nebo, fotografierte die niederländische Künstlerin Lidwien van de Ven das Panorama, wie es sich heute zeigt. Das erste Bild zeigt Wegweiser auf Ortsnamen und deren Distanzen von diesem Ort aus, das letzte ein Nachtbild dieser Wüste in Langzeitbelichtung. Hier geht es auch um Zeit, um eine sehr, sehr lange Zeit. Der Name eines Landes ändert sich oft im Verlauf der Geschichte. Bis 1948 (historisch gesehen vor kurzem) hieß dieses Land Palästina. Der Berg Nebo liegt heute an der Grenze Jordaniens. Die Bilder zeigen dieses hier sprachlose Land der Westbank, das seit Jahrzehnten, zusammen mit dem Gazastreifen, der palästinensische Staat sein sollte. Diese Fotoarbeit bezieht sich auch auf den Konflikt, dessen Interpretation gleichzeitig extrem durch die Kamera determiniert wird. Die Realität Palästinas ist für die westliche Welt beinahe unsichtbar, außer man fährt dorthin und überbrückt physisch die Distanz. Subtil und beinahe kommentarlos zeigt sie mit einem einzigen Panorama den Nahostkonflikt auf, ohne ihn vorzuführen.

Ein zweites Landschaftsbild in dieser Ausstellung erinnert schließlich an einen See, den See Genezareth. Es weist das Erbe des „Landes“, das auch als „Heiliges Land“ bezeichnet wird, indirekt als das Land der Predigt Jesu aus. Das ganz auf Blautöne zurückgenommene neunteilige Aquarell „Das Licht des Kinnereth“ von Josef Fink setzt nur mehr das Licht der Atmosphäre des Sees Genezareth ins Bild, mithin auch den Berg der Seligpreisungen. Fink hatte eine besondere Liebe zu Israel/Palästina, das er – wie Lidwien van de Vens Fotoarbeit – vor allem als „Land der Verheißung“ sah, und das er in einigen Künstlerklausuren mit vielen Künstlerinnen und Künstlern bereist hatte. Licht, Farbe und Ort strahlten für Josef Fink die besondere Wärme der Botschaft Jesu aus. Es wird im engeren Sinne nichts gezeigt von dieser Botschaft Jesu, aber doch schwingt sie dabei in einer besonderen Poesie eben mit: Das, was man an Jesus „Lehre“ nennt: Bergpredigt und Gleichnisse, Zeichen und Wunder..
Termine
24. Juni 2017, 11:15 Uhr
Veranstaltungsort/Treffpunkt