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Brigitte Kowanz

aktuelle kunst in graz 2017
M / Licht 2017
Als existentieller Faktor begleitet Licht nicht nur unser Leben, es bedingt und beeinflusst uns. Das Gleiche gilt für Raum und Kommunikation. Alle drei Faktoren stellen Parameter dar, die Körper und Geist, Empfindung und Intellekt, Privatheit und Öffentlichkeit miteinander verbinden und in Spannung versetzen. Auseinandersetzung mit, Beobachtung von, Konzentration auf diese Grundbedingungen des Lebens sind Charakteristika und Agenzien für die Arbeit von Brigitte Kowanz.

Geschichte und Transformation von Licht in seiner Erscheinungsform durch hoch entwickelte Technologien, Raum als Konstruktion bzw. Architektur sowie Kommunikation als entwickelte Sprache und Schrift sind Voraussetzung ihres Werks. Basierend auf dem Wissen der Kultur- und Kunstgeschichte, auf der Autonomie von Licht, Form und Zeichen überschreitet Kowanz narrationslos Grenzen und fokussiert gleichzeitig auf neuralgische Punkte.
Psychoanalyse, Sprachanalyse und Körperanalyse als österreichische Errungenschaften berücksichtigend wirft sie Erkenntnisse auf sich selbst zurück, konfrontiert uns mit deren Geschichte, mit Codierungen und kollektiven Bewusstseinseinschreibungen. Zitate, Spiegelungen und Konturierungen erscheinen dabei nicht selbstreflexiv, sondern öffnen subtil und präzise reale ebenso wie virtuelle Räume. Die Arbeit von Brigitte Kowanz ist stets Konzentrat und Echo. Dem unüberwindbar scheinenden Scheitern des weiter zurück stellt sie Möglichkeiten der Befragungen in Aussicht, die sich der Ergründung, Bedeutung und Reibung an Gewesenem und Seiendem öffnen.

Das Palais Herberstein, 1602 als Stadtpalais der Fürsten von Eggenberg erbaut und seit 1939 im Besitz des Landes Steiermark, verdankt sein heutiges Aussehen einem spätbarocken Umbau.

Mit der für dessen Nordeinfahrt spezifisch entwickelten Arbeit tritt Brigitte Kowanz in Interaktion mit der Architektur, sie öffnet den Eingang optisch und erschließt uns neue Erfahrungen. So verbindet sie das Museums-Entree mit dem städtischen Erscheinungsbild und schafft ein neues Spannungsfeld zwischen denkmalgeschützter Substanz und zeitgemäßer Technologie.
Zarte Neonlinien akzentuieren das Gewölbe, lassen dieses erst deutlich in Erscheinung treten, wobei sie uns in ihrer Schlichtheit anziehen und Geschichte mit Gegenwart verbinden.
Der Schwere des barocken Portals wird die Leichtigkeit leuchtender Formensprache entgegengesetzt, Architektur als dritter Haut des Menschen Öffnung und Durchlässigkeit eingeschrieben.

Neben ihrer Untersuchung von Raum und Licht steht jene von Sprache und Schrift im Zentrum der Arbeit von Brigitte Kowanz. So finden wir über dem Eingang des Museums, reduziert auf das Wesentliche, einen Leuchtbuchstaben, das Schwabacher M. Die Schwabacher, entstanden im 15. Jahrhundert, wurde prominent für die Schedelsche Weltchronik und Dürers Apokalypse verwendet. Während des Nationalsozialismus verboten weist sie, im gegebenen Zusammenhang auf die Politisierung von Schrift, auf Wesenheit und Zielgerichtetheit eingesetzter Medien hin. Damit sensibilisiert uns Kowanz für die Thematik der Zuschreibungen von Schriftsetzung im öffentlichen Raum und verweist auf unterschiedliche Bedeutungsebenen durch differenzierten Einsatz diverser Druck- und Schreibschriften.

In zeitgemäßer Leuchtschriftenformulierung zitiert sie nicht nur aus der Geschichte, sie irritiert durch das Öffnen eines Diskursfeldes. Das üblicherweise in der Werbung eingesetzte Neonlicht bringt den Buchstaben M auf eine Bedeutungsebene, die zwischen Logo und Geheimzeichen oszilliert, wodurch die Thematik medialer Beeinflussung sowie Bedeutung von Kommunikation in diesem geschichtsträchtigen Bau aktuell wachgerufen wird.

Die unendliche Falte ist das Charakteristikum des Barock, 2007/2016 ist ein von Brigitte Kowanz handschriftlich in Neon überführtes Zitat aus dem Buch Die Falte von Gilles Deleuze. Bezeichnenderweise faltet sich dieser Satz am Prunk-Stiegenhaus empor, dem barocken illusionistischen Deckengemälde entgegen. Das Private der Handschrift wird hier am philosophischen Problem der Trennung von Seele und Körper in unser Bewusstsein geschrieben. Zurückführend auf die leibnizsche These, die die menschliche Seele als Monade, als in sich geschlossene Einheit, als zweistöckiges Haus ohne Türen und Fenster sieht, öffnet Deleuze durch den Begriff der Falte Durchlässe zwischen den Etagen von Leib und Seele, Brigitte Kowanz steigert diese produktive Spannung und faltet zwischen Barock und Jetztzeit Geschlossenes neu auf, verweist auf Parallelitäten und die Aktualität der unendlichen Falte.

(c) Elisabeth Fiedler
Termine
Eröffnung 27. April 2017, 19:00 Uhr
Weitere Informationen
(c) Foto: UMJ
Veranstaltungsort/Treffpunkt