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Quere Autozensur

Schaufensterbespielung zur Diagonale
Wir zensurieren uns selbst, bevor es jemand anderer tut. Konzept und Artwork: Igor F. Petkovic
Global ist die Zensur der freien Meinungsäusserung, Forschung und Kunst im Vormarsch. Selbst in einem Europa der Vielfalt etablieren sich immer stärker autoritäre Regime und Mediokratien, faschistische und demokratiefeindliche Tendenzen greifen um sich. In einem (Des-)Informations-Klima der politischen Spins, des propagandistischen Storytellings, konsumistischen Marketings und medialer Desinformationskampagnen wird es immer wichtiger, den Wahrheitsgehalt von Informationen bewerten zu können.

Die künstlerische Konzeption möchte anhand von Übermalungen und Schwärzungen der Diagonale Werbeplakate auf den Schaufenstern des Kunst Klub Kräftner einerseits einen formalen, grafisch-ästetischen Bruch in den öffentlichen Raum bringen und andererseits einen inhaltlich diskursiven Beitrag leisten zu Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit, zu sozialer Zensur, Cancel Culture und sogar vorauseilender Selbstzensur von Kreativen, Forschenden, Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden.

Info-Blackfacing

Die intendierte Irritation des alltäglichen Blickes von Passant*innen in der Reitschulgasse eröffnet eine freie Interpretation von scheinbar unkenntlicher Kalligraphie oder kryptischer Zeichen. Das Verändern und Überarbeiten von Marken, Logos und Plakaten im öffentlichen Raum kann zerstörerischer Vandalismus, subversive Street-Art, oder auch eine Guerilla Marketing Methoden sein erhöht damit die Aufmerksamkeit auf das Durchgestrichene und steigert subtil sogar dessen Wertigkeit (nur was einen Wert / Gehalt hat, wird zerstört..) und wird damit selbst zur Message.

Geschwärzte Dokumente als demokratiepolitische Skandale

Die geschwärzten Plakate lassen formal jedoch auch an demokratiepolitische Skandale um geschwärzte Beweise, Dokumente und Listen denken, wie aktuell etwa im Katargate - Bestechungsskandal um das Europäisches Parlament, u.v.a.). Diagonal durchgestrichene Informationen weisen auch auf Desinformationskampagnen, Propaganda und den Info-War im Zuge der globalen Krisen und Kriege hin. Wie können sich kritische Geister da noch ein eigenes Bild machen?

Wie weit darf und muss kritisches Denken und Handeln ohne Angst vor Zensur gehen können, vor allem bei Kreativen, Filmemacher:innen, Künstler:innen und in der Medienbranche? Wie weit ist die Wahrheit den Menschen zumutbar? Was ist Wahrheit und wie viel Gehalt steckt davon in der (medialen) Vermittlung von (scheinbarer) Realität?

BLEEP - vorauseilende Selbstdisziplinierung

Selbstzensur ist Zensur, die sich Menschen oder Institutionen selbst auferlegen, z. B. hinsichtlich Meinungs- und Pressefreiheit. Sie tritt unter anderem bei Verlegern, Journalisten, Filmproduzenten, Wissenschaftlern, Künstlern sowie Medien aus vielfältigen Motiven auf. Die Grenzen zwischen Freiwilligkeit und Zwang können bei der Selbstzensur verschwimmen: So kann ein investigativ arbeitender Journalist eine Enthüllung zurückhalten, da er sich des Wahrheitsgrades unsicher ist, oder aber, weil die von der Enthüllung betroffenen Personen die Macht haben, ihm im Falle der Veröffentlichung zu schaden. Man spricht in der Kritik an der Selbstzensur auch von „vorauseilendem Gehorsam“ und bildlich von der „Schere im Kopf“. Auszug aus Wikipedia: Zensur

Welche Kunst kann und darf durch eine subtile, selbstauferlegte Autozensur noch entstehen? Was passiert mit den verängstigten zeitgenössischen Künstler:innen, die davon betroffen sind und es vielleicht noch nicht einmal wissen? Was passiert mit einer Kunst, die mit Trigger-Warnungen sich abgrenzen will und so doch auch vermarktet?

Wir zensurieren uns selbst, bevor es jemand anderer tut..
Termine
1. - 8. April 2024, Ganztägig
Veranstaltungsort/Treffpunkt