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Klaus Wanker - chimären

Fragmente einer Apokalypse
Klaus Wankers aktuelle Bilder

Klaus Wankers Auseinandersetzung mit der Malerei führte bis jetzt im Wesentlichen über die klassische Diskussion, die das Medium seit dem Beginn der Moderne begleitet: Gegenständlichkeit und Abstraktion. Dabei steigt er selbst als Künstler zu einer Zeit ein – in den 1990er Jahren –, in denen derlei Probleme bereits in eine nächste Ebene gegangen sind. Es ist nicht mehr fortschrittlicher, avancierter oder zeitgemäßer, sich in der Abstraktion zu bewegen. Der Realismus im Bild hat seinen ideologischen Schrecken verloren. Durch die digitale Kultur begünstigt, unterscheidet man das abstrakte Bild nicht mehr von der realistischen Darstellung. Vielmehr muss jede Art der Darstellung muss als Form der Abstraktion gelten, ist letztlich eine Repräsentation der Wirklichkeit. Das Thema der Repräsentation ist zugleich auch eines der grundlegenden Themen der Kunst. Somit galt es in der Kunst des 20. Jahrhunderts, die Realität auf direktere Weise ins Spiel zu bringen als durch das Abbild, die Nachahmung der Wirklichkeit. Den Gegenstand direkt zu verwenden, die Realität als solche zu bearbeiten, hat zu unterschiedlichen Formen des Ready Mades, der Objektassemblage, der Performance und des Aktivismus geführt. Man hatte das Ziel, die Kunst näher an die tatsächliche Lebensrealität anzunähern. Probleme, Missstände, Störungen, Entwicklungen innerhalb des gesellschaftlichen Zusammenlebens wurden zum Ziel der künstlerischen Auseinandersetzung. All das konnte man sich nicht ausschließlich im Kontext der Malerei vorstellen. Zu traditionell, zu limitiert, zu sehr belastet von ihrer bereits seit Jahrhunderten bestehenden Geschichte schien die Malerei zu sein. Immer wieder gelangte sie, was ihre Glaubwürdigkeit als zeitgemäßes Medium der Kunst angeht, ins Hintertreffen. Relevante gesellschaftliche Aussagen gestand man ihr immer seltener zu. Bleibt sie demnach zum Wandschmuck verurteilt, ihrem zweifellhaften Los treu?

Dem muss nicht so sein. Das beweist Klaus Wanker in seinen jüngsten Arbeiten. Wanker, der sich bereits in seiner hyperrealistischen Phase einer medienbezogenen Malerei bediente, stellte sein künstlerisches Schaffen schon damals gleichsam in den Dienst der allgemeinen Kritik. Ob es in den bunten Ikonen des Konsums und der Jugendkultur war, die er in den 1990er Jahren schuf, oder ob es die martialischen Superhelden, Robo Cops und Kampfmaschinen etwas später waren. Wanker baute damit bereits an seinem „Antischlaraffenland“, dessen Protagonisten sich als Hybride aus Realität und Fiktion präsentieren.
Es blieb nicht bei Akteuren, bei Menschen, sondern auch deren Agitationsraum – das gesamte Environment – wurde Gegenstand seiner Malerei. Die Welt als apokalyptischer Ort, als dystopische Vision. Diese Landschaften waren keine attraktiven Lebensräume mehr, sondern vielfach kontaminierte Zonen, pessimistische Visualisierungen der Perspektiven unserer Zukunft. In all dem Ausweglosen, Endzeitlichen und Warnenden kann die verblüffende ästhetische Komponente jedoch nicht übersehen werden. Glänzende Metallfolien, transparente Malgründe, lasierende, leuchtende Farben, all das trägt zu einer höchst widersprüchlichen Wahrnehmung zwischen Entsetzen und Genießen bei. Betörend schön, metallisch glänzend und irisierend schillernd ziehen die Bilder von Klaus Wanker den Betrachter sofort in ihren Bann.
So auch in seinen aktuellen Arbeiten, in denen er Fundstücke, Substanzen und Stoffe aus der Realität einsetzt. Es muss verstörend gewesen sein, den Künstler auf Sardiniens Stränden nach Schwemmgut suchen zu sehen. Ölverschmierte Holzstücke, die von der Bewegung im Wasser ausgelaugt und abgeschliffen waren, Bitumen-klumpen, kleine technische Überreste, wie Schläuche, Schrauben, Kabel, aber auch pflanzliche Fragmente, die sich im Wasser zu neuen Formen (Kugeln) gefestigt haben und so an Land geschwemmt wurden, finden Eingang in diese informell wirkenden Bilder. Somit ist die Schönheit dieser Bilder trügerisch und führt tief in die Abgründe der menschlichen Existenz. Krise und Verfall scheinen die treibenden Themen des Künstlers zu sein. Seine Materialien sind nicht mehr Öl- oder Acrylfarbe, die auf die Leinwand gebracht wird. Nein, die Geschichte des Materials innerhalb der Kunst der letzten Jahrzehnte hat sich vielfältig entwickelt. Reale Substanzen, die teilweise ähnlich malerische Wirkungen erzielen aber zusätzliche Inhalte mitbringen, ersetzen die konventionellen Mittel. Die Realität ersetzt die Repräsentation. Wanker benutzt in seiner Malerei kontaminierte Materialien, Reste von zerstörerischen Prozessen, die in ihrer Mehrdeutigkeit verwendet werden. Diese werden in ein Bett aus Wachs und Altöl eingebettet. Der Kunstkontext gibt den Gegenständen und Substanzen eine geradezu pastorale Aura. Ihrem ursprünglichen Kontext enthoben haben sich die so platzierten und verarbeiteten Problemstoffe Eingang in die Kunst verschafft. Erst durch die verwendeten Materialien eröffnen sich wirklich weitreichende Zusammenhänge. Durch sie werden letztlich Müllhalden, Industrie, Zerstörung der Umwelt aber auch extensiver Konsum und die damit in Verbindung stehenden Prozesse spürbar. Der Galeriebesucher begegnet hier ausschließlich „schönen“ Bildern. Das Publikum kann aber auch feststellen, dass es dahinter mehr als nur den Schein der Oberfläche zu entdecken gibt. Sobald klar ist, welche Materialien da im Spiel sind, wird auch die Sichtweise komplexer. Ein eventuelles Missverständnis macht es möglich, diese Werke sowohl in ihrer „tieferen“ Bedeutung zu erfassen als auch primär über den ästhetischen Genuss.

Die konzeptuelle Praxis innerhalb der Malerei ist heute selbstverständlich geworden. Im postmedialen Zustand fließen die Inhalte und ästhetischen Bildkonzepte ineinander, genauso wie Materialien und Methoden. Neue Visualitäten entstehen dadurch mit neuen Bedeutungen. Das Gemälde wird in dem Moment Repräsentant einer Wirklichkeit, gleichzeitig aber auch Produkt einer Wirklichkeit – es entwickelt sich aus den realen Bedingungen und manifestiert diese auch gleichzeitig. Der Künstler agiert hier in einer Doppelfunktion: Seine Arbeiten können erzieherisch wirken, aber nicht in Bezug auf einen bestimmten Inhalt, sondern im Sinne eines tieferen Verständnisses unserer Gegenwart. Klaus Wanker gelingt es auf diese Weise erneut, der Malerei wesentliche Impulse zu verleihen, um sie letztlich fit für die Gegenwart, mit ihren vielfältigen Herausforderungen – nicht nur an die Kunst – zu machen.

Günther Holler-Schuster
Termine
Eröffnung 12. September 2019, 19:00 - 21:00 Uhr
13. - 30. September 2019, Di - Fr 14:00 - 18:00 Uhr, Sa 10:00 - 13:00 Uhr
1. - 12. Oktober 2019, Di - Fr 14:00 - 18:00 Uhr, Sa 10:00 - 13:00 Uhr
Veranstaltungsort/Treffpunkt