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Andrea Sadjak

„LITTERED - müllSPUR“ - Eine interaktive Installation von Andrea Sadjak
In ihrer jüngsten Arbeit beschäftigt sich die konzeptuell arbeitende Keramikerin Andrea Sadjak mit den Plastikabfällen unserer Gesellschaft. Das Publikum ist am Eröffnungsabend ein wichtiger Teil der Ausstellungsinstallation: Um in den Ausstellungsraum gelangen zu können, wird es eine (Tür-) Schwelle aus formbaren Ton betreten müssen. Somit hinterlässt es in dieser interaktiven Anfangssituation erste Spuren, die von jeder nachfolgend eintretenden Person mit deren neuem Fußabdruck automatisch überschrieben werden. Im Speichermedium Ton entsteht so ein plastisches Bildwerk das optisch vermittelt, dass jeder unserer Schritte und jede unserer Handlungen unweigerlich einen „Abdruck“ oder eine „Spur“ auf dieser Welt hinterlässt.
Seit über 50 Jahren wurden über 8 Milliarden Tonnen Plastik durch Menschenhand produziert. Tendenz stark steigend. Was irgendwann als Plastikteil einen Nutzen dann aber irgendwann ausgedient hat, landet schließlich gasförmig, weil verbrannt in der Luft, rottet auf Mülldeponien ewiglich vor sich hin oder endet irgendwann im Meer1.

Von daher ist es ein naiver Irrglaube anzunehmen, etwas, dass einmal produziert wurde, könnte ohne Auswirkungen zu hinterlassen, wieder von dieser Erde oder aus der Erdatmosphäre verschwinden.

Es gibt in den Weltmeeren fünf gigantische große Müllteppiche, die in Strudeln mit sich selbst Karussell fahren. Der größte Müllteppich von ihnen soll eine Fläche doppelt so groß wie Deutschland haben. Und natürlich befinden sich noch viele weitere kleine Plastikmüllstrudel- und Teppiche in den Ozeanen. Ein Großteil der bislang produzierten 8 Milliarden Tonnen Plastikprodukte treibt im Wasser, lagert sich als Müll am Meeresboden, an den Stränden und direkt in den Vögeln, Fischen und Meeressäugern ab und ein. Letztlich gelangt das Plastik durch chemische Zersetzungsprozesse stark verkleinert durch die Nahrungskette in unseren Organismus zurück2.

Andrea Sadjaks Spurensuche begann mit dem Aufsammeln einzelner Müllteile bei Aufenthalten am Meer. Der Ozean retourniert, ähnlich wie ein Bumerang fliegt, das, was er biologisch nicht verwerten kann, an seinen Absender - die Menschheit - zurück.

„Ich kenne so viel Müll im Wasser nur von Internetfotos. Damit leibhaftig konfrontiert zu werden ist eine andere, sehr einprägsame und unangenehme Erfahrung”“, so die Künstlerin.

Um dem Publikum eine weitere spürbare Erfahrung zu ermöglichen, werden zusätzlich zur Ton-Schwelle im Eingangsbereich der Galerie, kleine Felder aus bearbeitbarem Ton als Aktionsfläche bereitgestellt und laden dazu ein eine Bewegung umzusetzen. Die ausgeführte Handlung oder Bewegung lässt erneut Abdrücke als Relikt und Form einer vergangenen Anwesenheit entstehe. Im Ton sichtbar, fühlbar und dokumentiert. Im Gewahrsein dieser Texturen ist es möglich der Fährte seiner eigenen Entwicklung zu begegnen. Bewusstwerdung findet statt. Der Ton als eines der ältesten Menschheitsmaterialien fungiert als erdiges Arsenal und die durch die Handlung entstandene reliefartige Tonplatte wird zu einer Aufzeichnung mit hieroglyphischem Charakter. Diesen jeweils persönlichen Print in seiner ureigensten Form sichtbar zu machen ist das Kernanliegen der vorliegenden künstlerischen Arbeit. Die Oberfläche des Tons bezeichnet die Grenze, den Kontaktpunkt zwischen dem Einen (Mensch, Körper) und dem Anderen (Ton, als formbares natürliches Ur-Material). An diesem Kontaktpunkt geschieht Berührung und daraus resultiert Erfahrung, die wiederum eine neue Bewegung herausfordert. Der menschliche Körper als Speichermedium aller Erfahrung kommt somit in den Ausdruck. Und durch den Eindruck in den Ton wird dieser zum Gedächtnis des Dagewesenen. An diesem Abend kann man (körperlich) erfahren: Was man tut hat eine Wirkung, deren Ursache man selbst ist.

Kaufe ich einen Fleece-Pullover und trage diesen als Kleidung, so werde ich ihn auch von Zeit zu Zeit waschen müssen. Da bei jedem Waschgang ein Kunststoffabrieb stattfindet, landen unzählige kleine Plastikpartikel als Mikroplastik im Meer. Ähnlich verhält es sich bei dem Benutzen von Zahncreme, Peelings, Körperlotionen, Duschcremes und Lippenstiften3. Doch unser Bewusstsein verdrängt dieses Wissen gerne. Der Plastikmüll im Meer schiebt somit eine breite Spur alltäglicher, achtloser menschlicher Handlungen vor sich her. Dem entgegen setzt die Künstlerin die Arbeit mit Ton. Einem absolut natürlichen und problemlos abbaubaren Material, dass zudem in gebranntem Zustand - also als Keramik - ohne weiteres Jahrtausende überstehen kann ohne die Umwelt oder Lebewesen zu schädigen.

Andrea Sadjak BIOGRAFIE:
1968 ̽ in Graz, lebt und arbeitet in Graz, sie betreibt als Mitglied ein Atelier im SCHAUMBAD, Freies Atelierhaus Graz. Studium der Architektur und Kunstgeschichte in Graz und Wien, Lehrgang für Malerei an der Wiener Kunstschule, Lehrgang für Keramik an der Wiener Kunstschule, Meisterschule für Kunst und Gestaltung - Keramische Formgebung in Graz. Weiterbildungen in Ofenbau, Drehen und Porzellan, Oberflächengestaltung. Derzeit: Ausbildung zur ARBEIT AM TONFELD ® nach Prof. Heinz Deuser am Institut für Haptische Gestaltbildung (Gerhild Tschachler-Nagy), (Wien/Kärnten).

Eine am Vernissageabend an der Eingangstür der Galerie Blaues Atelier angebrachte SCHWELLE aus Ton lädt das Publikum dazu ein, einen Fußabdruck im Ton zu hinterlassen. Doch welcher Zusammenhang besteht zwischen einer Fährte und der weit verbreiteten Müll-Wegwerfmentalität?

Begrüßung und Einführung ins Werk: Kerstin Eberhard
Ausstellungsdauer: 08. - 23.11.2017

Veranstaltungshinweis: Do 23.11.2017 um 19h Finissage und LESUNG „Der Hort der Gepiden Teil 2: Das Rad der Fortuna“ - Ulla Punschart

Text: Kerstin Eberhard, Zitat Andrea Sadjak
Termine
Vernissage 7. November 2017, 19:00 Uhr
8. - 22. November 2017, Di. - Fr. 15:00 - 18:00 Uhr * u.n.t.V.
Finissage 23. November 2017, 19:00 Uhr
Weitere Informationen
(c) Foto: Andrea Sadjak/Chris Strassegger
Veranstaltungsort/Treffpunkt